Nora Tschirner: „Lara Croft und ich, wir sind quasi eineiige Zwillinge. Na ja, sie ist ein kleines bisschen sportlicher, aber da reden wir ja über Nuancen“

Es gibt Interviews, die sind stringent, geplant und langweilig. Und dann gibt es da noch Treffen mit Schauspielerinnen wie Nora Tschirner (Keinohrhasen, Offroad), die für ihre Rolle als Lara Croft vom Fernsehturm gesprungen ist und mich spontan zur Bootstour einlud. Nun, lest selbst.

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Lara Croft ist im neuen „Tomb Raider“ so eine Art weiblicher Bruce Willis. Sie reißt sich Wunden, muss an Flugzeugen hochkraxeln und mit Schrotflinten ballern. Wie hast du dich darauf vorbereitet?

Nora Tschirner: Du hast das schon schön beschrieben. Ich bin durch Berlin geturnt, durch die Spree geschwommen, an Klettergerüsten hochgeangelt, mit Fallschirm vom Fernsehturm gesprungen und habe dabei noch fast den Flughafen fertig gebaut. Also so das, was man als Schauspielerin eh jeden Tag macht.

In etwa so sieht der Alltag eines Spieleredakteurs aus. Und stimmlich? Lara weint ja viel im neuen „Tomb Raider“…

Nora Tschirner: … und stöhnt, wolltest du sagen. Das findet ihr Männer doch immer so toll. Also Stöhnen kann ich jetzt noch besser, ansonsten ist es aber vor Allem eine Kopfsache. Ich möchte so nah wie möglich am Original bleiben, richte mich tonal sehr stark nach dem was meine US-Kollegin Camilla Luddington synchronisiert hat. Tatsächlich ist das neue „Tomb Raider“ sehr viel emotionaler als seine Vorgänger. Lara kommt aus gutem Haus, ist behütet aufgewachsen und muss jetzt diese ultimative Herausforderung meistern. Ich hatte das Glück, dass das Spiel bereits nahezu fertig war als wir aufgenommen haben. Wenn ich also sehe wie sich ein gefühlt 30 Meter langer Holzspeer durch Lara bohrt, entfährt mir fast schon automatisch ein schmerzerfüllter Schrei.

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Wie hast du den Job eigentlich bekommen. Hat dich Square Enix gefragt oder gab`s ein Casting?

Nora Tschirner: Das war eine reine Typbesetzung. So vom Körperbau, der Muskelmasse und der Haarfarbe könnten Lara und ich ja eineiige Zwillinge sein. Wir werden am Wochenende auch wieder zum Drachen-Dreieck paddeln – mit unserem Paddelboot. Du siehst sportlich aus, magst du mitpaddeln? Aber ich kann für nichts garantieren. Du könntest verflucht werden.

Gebongt, Indiana ist mein zweiter Vorname. Aber erst mal müssen wir zwei noch ein bisschen arbeiten. Also, du bist ja vor Allem für „Soloalbum“ und „Keinohrhasen“ bekannt. Wie unterscheidet sich die Synchronarbeit vom Filmset?

Nora Tschirner:
Oh, das kommt extrem auf den Regisseur an. Til (Schweiger, Anm. d. Red.) ist `ne echte Rakete. Der hat eine unglaubliche Energie, alles geht zack zack und er redet nicht viel, er lässt dich einfach machen und sehr viel ausprobieren. Also bei „Keinohrhasen“ oder „Zweiohrküken“ haben wir auch mal mehrere „Takes“, die meist so 2-3 Minuten lang sind, hintereinander abgedreht um verschiedene Einstellungen auszuprobieren. Synchronarbeit ist sehr viel feingliederiger, du musst oft ein Wort, eine Emotion oder einen halben Satz zehn Mal wiederholen bis es passt. Lara zu sprechen ist insofern schwieriger, weil sie eine berühmte Lady ist. Anna Kotzlowski beispielsweise kannte vor „Keinohrhasen“ keiner, ergo ist es mein Job als Schauspielerin den Charakter mit Leben zu füllen. Aber das Spiel heißt ja nicht „Dreiohr-Raiders“, obwohl ich Til gleich fragen werde ob wir das nicht mal drehen wollen, sondern „Tomb Raider“. Schon den Fans zu Liebe versuche ich also sehr nah am Original zu bleiben.

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Lara wurde in der Presse oft als Sexbombe tituliert. Ist „Sexbombe“ eigentlich sexistisch? Seit der Brüderle-Geschichte müssen wir Männer ja aufpassen.

Nora Tschirner: Nö, finde ich nicht. Aber ich bin auch echt nicht die Sexismus-Expertin, weil ich Sexismus mir gegenüber im Alltag wahrscheinlich gar nicht merken würde. Ich denke es kommt auch immer auf den Tonfall an, ob etwas als Kompliment oder herablassend gesagt wird. Ich meine Lara sieht einfach geil aus, das sage ich auch als Frau. Ich wurde in einem Interview für ein Frauenmagazin gefragt, ob sie sich mehr anziehen soll. Finde ich irgendwie komisch, weil als Frau kleidet man sich ja in der Regel gern sexy. Und wir sagen ja auch nicht: Daniel Craig, zieh dir schnell was an. Dein Waschbrettbauch ist ja voll sexistisch. Zudem sind Laras Möpse ja jetzt deutlich kleiner als früher. Oh, darf man Möpse in der M!Games sagen? Wenn nicht, schreib Brüste. Das klingt auch gleich femininer. Ich will mich da nicht zu sehr aus dem Fenster hängen, aber ich denke man muss aufpassen wohin solche Debatten führen. Und ganz ehrlich: Es gibt bestimmt mehr als eine Frau, die sich einen Til-Schweiger-Film durchaus auch wegen Tils durchtrainiertem Körper anguckt. Ist das jetzt schlimm? Ne. Insofern muss sich Lara auch keinen Kartoffelsack umbinden. Außerdem erfahrt ihr im Spiel deutlich mehr über ihre Vergangenheit. Es ist ein sehr dramatisches Abenteuer, was durchaus in die Tiefe geht und sich um die menschliche Psyche dreht.

Unter den ersten Youtube-Videos mit deiner Stimme als Lara gab`s jetzt nicht nur positive Stimmen. Einige wünschen sich beispielsweise die Original-Stimme des letzten Teils zurück. Wie gehst du mit solcher Kritik um?

Nora Tschirner:
Och Mensch Benny, bis hierhin war das so ein schönes Gespräch und dann so was. Wäre ich jetzt eine Hollywood-Diva würde ich dich von Daniel Craig rausschmeißen lassen. Auf jeden Fall werde ich heute Abend in mein Kissen weinen, weil ich die Kommentare ja jetzt lesen muss. Aber so ganz ehrlich und als Statement an die Menschheit gerichtet: Gebt dem Ganzen einfach mal `ne Chance. Spielt „Tomb Raider“ und wenn euch meine Arbeit nicht gefällt, dürft ihr immer noch meckern. Wenn ihr auf Youtube was hochladet, schreib ich ja auch nicht gleich „Boah, voll blöd ey“ drunter. Wir haben uns echt Mühe gegeben, ich habe mich heißer geschrien und alles gegeben um euch ein emotional mitreißendes Spielerlebnis zu ermöglichen. Ich hoffe sehr, dass es euch gefällt.

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